Japanisch ist eine faszinierende Sprache, die weltweit von Millionen Menschen gesprochen und gelernt wird. Als deutsche Muttersprachler können wir beim Erlernen der japanischen Sprache auf einige Herausforderungen stoßen, insbesondere in Bezug auf die Grammatik. Oftmals begegnen wir dabei Mythen und Missverständnissen, die das Lernen erschweren können. In diesem Artikel werden wir einige gängige japanische Grammatikmythen entlarven und Ihnen helfen, ein klareres Verständnis für die Sprache zu entwickeln.
Mythos 1: Japanische Sätze haben keine feste Wortstellung
Ein weit verbreiteter Mythos besagt, dass die japanische Sprache keine feste Wortstellung hat und somit Sätze frei arrangiert werden können. Dies ist jedoch nicht ganz korrekt. Zwar ist die japanische Wortstellung flexibler als die im Deutschen oder Englischen, doch gibt es dennoch eine Grundstruktur, die eingehalten werden sollte.
Die typische japanische Satzstruktur folgt dem Muster Subjekt-Objekt-Verb (SOV). Das bedeutet, dass das Verb am Ende des Satzes steht, während Subjekt und Objekt davor kommen. Hier ein Beispiel:
日本語: 私はりんごを食べます。
Deutsch: Ich esse einen Apfel.
In diesem Satz steht „私は“ (watashi wa) für das Subjekt „ich“, „りんごを“ (ringo o) für das Objekt „einen Apfel“ und „食べます“ (tabemasu) für das Verb „essen“. Diese Grundstruktur bleibt in den meisten Sätzen erhalten. Die Flexibilität der japanischen Sprache zeigt sich jedoch darin, dass man das Subjekt oft weglassen kann, wenn es aus dem Kontext bereits klar ist.
Mythos 2: Japanische Partikel sind unbedeutend
Ein weiterer Mythos ist, dass die japanischen Partikel (wie は, が, を, に) unbedeutend sind und weggelassen werden können. In Wirklichkeit spielen Partikel eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der Funktion und Bedeutung eines Wortes im Satz.
Partikel markieren Subjekte, Objekte, Ziele, Zeitpunkte und andere grammatische Funktionen. Zum Beispiel:
– は (wa) markiert das Thema des Satzes
– が (ga) markiert das Subjekt des Satzes
– を (o) markiert das direkte Objekt
– に (ni) markiert das indirekte Objekt oder den Zielort
Ein Satz ohne die richtigen Partikel kann leicht missverstanden werden oder grammatikalisch inkorrekt sein. Daher ist es wichtig, die Verwendung der Partikel zu lernen und zu üben.
Mythos 3: Japanische Verben ändern sich nicht
Es gibt auch den Mythos, dass japanische Verben keine Konjugationen oder Veränderungen durchlaufen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Japanische Verben ändern ihre Form je nach Zeit, Höflichkeitsgrad und anderen grammatischen Aspekten.
Ein einfaches Beispiel ist das Verb „taberu“ (essen):
– Gegenwart: 食べる (taberu) – ich esse
– Vergangenheit: 食べた (tabeta) – ich aß
– Höflich: 食べます (tabemasu) – ich esse (höflich)
– Verneinung: 食べない (tabenai) – ich esse nicht
Diese Veränderungen sind essenziell, um richtig kommunizieren zu können. Es ist daher wichtig, die verschiedenen Konjugationsformen zu erlernen und zu verstehen.
Mythos 4: Höflichkeitsformen sind optional
Ein weiterer weit verbreiteter Irrglaube ist, dass die Verwendung von Höflichkeitsformen im Japanischen optional ist. In der Realität sind Höflichkeitsformen ein integraler Bestandteil der japanischen Sprache und Kultur.
Japanisch unterscheidet zwischen verschiedenen Höflichkeitsstufen, die je nach sozialer Situation, Alter und Rang des Gesprächspartners verwendet werden. Die häufigsten Formen sind:
– Grundform (普通形, futsūkei)
– Höflichkeitsform (丁寧語, teineigo)
– Respektform (尊敬語, sonkeigo)
– Bescheidenheitsform (謙譲語, kenjōgo)
Hier ein Beispiel für das Verb „sagen“ in verschiedenen Höflichkeitsformen:
– Grundform: 言う (iu) – sagen
– Höflichkeitsform: 言います (iimasu) – sagen (höflich)
– Respektform: 仰る (ossharu) – sagen (respektvoll)
– Bescheidenheitsform: 申す (mōsu) – sagen (bescheiden)
Die richtige Verwendung dieser Formen ist entscheidend, um respektvoll und angemessen zu kommunizieren.
Mythos 5: Japanisch hat keine Pluralformen
Manchmal hört man, dass das Japanische keine Pluralformen kennt und Singular und Plural nicht unterschieden werden. Dies ist nur teilweise wahr. Während es keine spezifischen Pluralformen wie im Deutschen oder Englischen gibt, gibt es dennoch Möglichkeiten, den Plural auszudrücken.
Eine Methode ist die Verwendung von Zähleinheiten und Zahlwörtern, um die Anzahl der Objekte oder Personen zu spezifizieren. Zum Beispiel:
– 一人 (hitori) – eine Person
– 二人 (futari) – zwei Personen
– 三人 (sannin) – drei Personen
Eine andere Möglichkeit ist die Verwendung von Pluralmarkern wie たち (tachi) oder ら (ra) für Personen:
– 子供 (kodomo) – Kind
– 子供たち (kodomotachi) – Kinder
Diese Marker werden hauptsächlich für Personen verwendet und sind nicht universell für alle Substantive anwendbar.
Mythos 6: Japanische Adjektive sind einfach
Ein weiterer Mythos ist, dass japanische Adjektive einfach und unkompliziert sind. In Wirklichkeit gibt es zwei Haupttypen von Adjektiven im Japanischen, die unterschiedliche Regeln und Konjugationen haben: い-Adjektive und な-Adjektive.
い-Adjektive enden auf い und können direkt vor einem Substantiv stehen oder alleine verwendet werden:
– 美しい (utsukushii) – schön
– 美しい花 (utsukushii hana) – schöne Blume
Diese Adjektive ändern ihre Form je nach Zeit und Höflichkeitsstufe:
– Gegenwart: 美しい (utsukushii) – schön
– Vergangenheit: 美しかった (utsukushikatta) – war schön
– Verneinung: 美しくない (utsukushikunai) – nicht schön
な-Adjektive enden normalerweise nicht auf い und benötigen das Partikel な, wenn sie vor einem Substantiv stehen:
– 静かな (shizuka na) – ruhig
– 静かな場所 (shizuka na basho) – ruhiger Ort
Diese Adjektive haben eine etwas andere Konjugation:
– Gegenwart: 静かだ (shizuka da) – ruhig
– Vergangenheit: 静かだった (shizuka datta) – war ruhig
– Verneinung: 静かじゃない (shizuka janai) – nicht ruhig
Das Verständnis dieser Unterschiede ist essenziell für die korrekte Verwendung von Adjektiven im Japanischen.
Mythos 7: Japanisch ist eine isolierte Sprache
Ein weiterer Mythos ist, dass das Japanische eine isolierte Sprache ist und keine Verwandtschaft zu anderen Sprachen hat. Obwohl die genaue Herkunft des Japanischen immer noch Gegenstand wissenschaftlicher Debatten ist, hat die Sprache in ihrer Entwicklung viele Einflüsse von anderen Sprachen aufgenommen, insbesondere vom Chinesischen.
Ein Großteil des japanischen Wortschatzes besteht aus Lehnwörtern aus dem Chinesischen, die als „Kango“ (漢語) bekannt sind. Diese Wörter werden oft mit Kanji geschrieben und machen einen bedeutenden Teil der japanischen Sprache aus. Darüber hinaus hat das Japanische in der modernen Zeit viele Lehnwörter aus dem Englischen und anderen westlichen Sprachen übernommen, die als „Gairaigo“ (外来語) bekannt sind.
Mythos 8: Japanische Schrift ist unübersichtlich und unlernbar
Die japanische Schrift ist zweifellos komplex, da sie drei Schriftsysteme verwendet: Hiragana, Katakana und Kanji. Dies kann für Lernende einschüchternd wirken und den Mythos fördern, dass das Erlernen der japanischen Schrift unmöglich ist. In Wirklichkeit ist es jedoch durchaus machbar, wenn man systematisch und geduldig vorgeht.
– Hiragana (ひらがな) und Katakana (カタカナ) sind Silbenschriften mit jeweils 46 Grundzeichen. Sie sind relativ einfach zu lernen und werden oft in den ersten Lernphasen vermittelt.
– Kanji (漢字) sind chinesische Schriftzeichen, die komplexer sind und eine größere Herausforderung darstellen. Es gibt etwa 2.000 grundlegende Kanji, die für den täglichen Gebrauch notwendig sind.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, regelmäßig zu üben und die Schriftzeichen in kleinen Schritten zu lernen. Viele Lernende finden es hilfreich, mit Hiragana und Katakana zu beginnen und sich dann schrittweise den Kanji zu widmen.
Mythos 9: Japanisch hat keine Zeiten
Ein weiterer Mythos ist, dass das Japanische keine Zeiten kennt und somit keine Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft ausdrücken kann. Dies ist nicht korrekt. Japanische Verben und Adjektive haben verschiedene Formen, um die Zeit auszudrücken.
Wie bereits erwähnt, ändern sich japanische Verben je nach Zeitform:
– Gegenwart: 食べる (taberu) – essen
– Vergangenheit: 食べた (tabeta) – aß
– Zukunft: Das Japanische verwendet oft die Gegenwartsform, um zukünftige Ereignisse auszudrücken, wobei der Kontext die Bedeutung klarstellt.
Auch Adjektive ändern ihre Form, um die Zeit anzuzeigen:
– Gegenwart: 新しい (atarashii) – neu
– Vergangenheit: 新しかった (atarashikatta) – war neu
Das Verständnis dieser Zeitformen ist entscheidend, um korrekte und verständliche Sätze bilden zu können.
Mythos 10: Alle Japaner sprechen formelles Japanisch
Ein weiterer weit verbreiteter Mythos ist, dass alle Japaner ausschließlich formelles Japanisch sprechen. In Wirklichkeit gibt es verschiedene Stile und Register der Sprache, die je nach Kontext und Beziehung zwischen den Sprechern verwendet werden.
– Formelles Japanisch (丁寧語, teineigo) wird in formellen und höflichen Situationen verwendet, z.B. im Geschäftsleben oder bei der Ansprache von Fremden.
– Informelles Japanisch wird unter Freunden und Familienmitgliedern verwendet und ist oft kürzer und weniger strukturiert.
Ein Beispiel für den Unterschied:
– Formell: お元気ですか? (Ogenki desu ka?) – Wie geht es Ihnen?
– Informell: 元気? (Genki?) – Wie geht’s?
Es ist wichtig, den Unterschied zwischen formellem und informellem Japanisch zu verstehen und je nach Situation den passenden Stil zu wählen.
Fazit
Das Erlernen der japanischen Sprache ist zweifellos eine Herausforderung, aber die Entlarvung dieser gängigen Mythen kann Ihnen helfen, ein klareres und fundierteres Verständnis der japanischen Grammatik zu entwickeln. Indem Sie die Grundstrukturen und Regeln der Sprache verstehen und regelmäßig üben, können Sie sich sicherer und kompetenter im Japanischen ausdrücken. Bleiben Sie geduldig und konsequent, und lassen Sie sich nicht von Mythen und Missverständnissen entmutigen. Viel Erfolg beim Lernen!